Miku - eine Weihnachtsgeschichte

Miku war die ganze Nacht auf seinen kleinen Beinchen herum geflitzt. Er war in jedem Stock des Hauses gewesen, hatte in jeder Wohnung vorbeigeschaut und jede Menge leckere Sachen gefunden. Ein großes Stück Käse lag unbeaufsichtigt frei in der Küche in der Eckwohnung im ersten Stock. Hmmmm, war das lecker. Im Stiegenhaus im 2. Stock hatte vermutlich ein kleines Kind ein Stück Kipferl verloren, eine prima Nachspeise.

Jetzt wurde es langsam Morgen und Miku zog sich in seine kleine Höhle zurück die er seit ein paar Monaten behauste. Sein Rückzugsort war in der Zwischendecke von Keller und Erdgeschoß. Da lief ein Warmwasserrohr entlang und Miku hatte es sich mit viel Moos und Blättern sehr gemütlich gemacht. Tagsüber schlief die kleine Maus und nachts ging sie auf Futtersuche. Hier in dem Haus in der Erlaaer Straße gab es so viel zu finden und bei seiner Suche lernte Miku die Hausbewohner ein bisschen kennen. Es gab so viele unterschiedliche Menschen hier, mit genau so vielen, vielleicht sogar noch mehr, Ansichten Meinungen und Werten.

Meistens kam es Miku so vor, als wären die Menschen, die hier lebten, glücklich, aber nicht immer. Es gab immer wieder Streit, böse Worte, Tränen. Er sah Traurigkeit, Wut, Einsamkeit. Das gehörte wohl bei den Menschen dazu. Bei vielen blieb das einfach so. Miku konnte keine Veränderung beobachten. Er achtete auch nicht immer so darauf, war er ohnehin damit beschäftigt Nahrung zu finden und auf der Hut nicht entdeckt zu werden.

Einmal hatte ihn die rothaarige Dame aus dem Erdgeschoß erwischt und war gar nicht erfreut ihn zu sehen. Sie hatte ihn mit dem Besen durch ihre Bude gejagt! Seitdem traute er sich nicht mehr hin, auch wenn er den weißen Hund dort vermisste, mit ihm hatte er sich oft gut unterhalten.

Eine Wohnung, die auch im Erdgeschoß lag, die war irgendwie anders. Dort lebte niemand, obwohl er immer wieder mal früh morgens oder spät abends jemanden kommen oder gehen sah. Die Menschen waren wohl nur tagsüber dort. Da lag auch nicht so viel Essen rum. Letztens stand in der Küche ein Säckchen mit Nüssen offen herum, da hatte er sich bedient. Aber nur ganz wenig, damit niemand Verdacht schöpfte. Aus einer der Kästchen roch es so fein nach Hundekeksen, aber Miku kam nicht ran und einem Hund hatte er dort nachts auch noch nicht gesehen. Schon seltsam.

Seit kurzen gab es einen beleuchteten Baum im Garten, das hatte ihn zunächst etwas erschreckt, aber jetzt fand er es schön.

Manchmal wagte er sich am Nachmittag in den Garten und plauderte mit der fleißigen Amsel, die dann immer den Mulch unter dem Kirschlorbeer umgrub, um nach Nahrung zu suchen.

Diese Wohnung war überhaupt etwas ganz Besonderes. Er fühlte sich dort so wohl und es wurde ihm immer so warm ums Herz, wenn er dort war. Die Menschen, die er dort beobachtete, waren auch irgendwie anders. Anders als in den anderen Wohnungen kam es Miku vor, als würden die Menschen dort überwiegend den Gefühlen begegnen, die sie empfanden. Sie hatten schon ihre Probleme, waren auch traurig und weinten manchmal, aber meistens gingen sie gestärkt und friedlich von diesem Ort wieder weg. Diesen Zauber der Wandlung konnte Miku fühlen und es kam ihm so vor, als würde diese Energie strahlen wie die Sonne, sich verbreiten und alles herum in ein friedliches, liebevolles Licht tauchen.

An Weihnachten, das kannte Miku schon, da war in den meisten Wohnungen viel los. In dieser Wohnung aber nicht. Da war es ruhig, niemand war da und Miku kuschelte sich in einen der weichen Polstersessel und schlief den ganzen Tag und die ganze Nacht. Ein bisschen so als würde er Urlaub machen in einem schönen Hotel. Er genoss dieses schöne Gefühl der Geborgenheit.

Der Wohnung gefiel es auch - sie mochte ihren Weihnachtsgast und genoss die friedliche Gesellschaft.


shutterstock_1552852547jpg


Bilder shutterstock / 1552852547, 1552852553 Karina.Am